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Eine Stadt und ihre Menschen

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Wenn mich jemand mit einer lahmen Kuh um Rat fragen würde, würde ich mir Diagnose und Behandlung nun schon zutrauen, so viele Klauenbehandlungen haben wir inzwischen durchgeführt. Und wenn es einmal nicht so viel zu tun gibt, dürfen wir uns etwas aussuchen, was wir gerne üben möchten, zum Beispiel, wie man Kälbern, die nicht saugen, Milch eingibt, wie man künstliche Besamungen durchführt oder nochmal Ultraschall. Trotzdem ist im Winter nicht so viel los in der Klinik und nachmittags bleibt Zeit für Streifzüge durch Tartu, Wanderungen durch den Schnee oder einen Wochenendausflug nach Tallinn. Meine Estnisch-Lehrerin möchte mich persönlich kennen lernen. Erklärungsbedarf? Im Juni saß ich im Flugzeug neben einer ungewöhnlich gesprächigen Estin, die mir eine Handynummer gab – ihre Freundin gibt Sprachunterricht, auch per Skype. Estnisch-Lehrer sind in Deutschland nicht so leicht aufzutreiben. So kommt es also, dass ich schon viel von Riina gelernt habe, sie aber noch nie in

Fast daheim

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Inzwischen wurde mir schon mehrfach gesagt, ich hätte kaum einen Akzent, wenn ich Estnisch spreche. Klar bin ich darauf sehr stolz, keine Frage. Aber es kann auch ziemlich nervig sein, wenn man nur über sehr begrenztes Vokabular verfügt. Immer wieder muss ich im Laufe eines Gesprächs die Sprache wechseln. „Vabandust, ma ei saa aru“ ist einer meiner häufigsten Sätze – Entschuldigung, das verstehe ich nicht. Ausblick von einem Arbeitseinsatz in Südestland Es kommt dann zu lustigen Situationen, in denen mir beispielsweise die Leute nicht glauben, dass ich nicht hier lebe. Mich weiterhin auf Estnisch zutexten, in einem Tempo, bei dem ich dann nicht einmal mehr verstehe, worum es überhaupt geht. Oder sie halten mich für komplett bescheuert. „Hallo, ich hätte gerne einen Tee, haben Sie grünen da?“, frage ich akzentfrei. „Tut mir Leid, das nicht. Aber Pfefferminze.“ „In Ordnung, dann nehme ich Pfefferminztee. Und für ihn ein Alexander Bier.“ „Unsere Spülmaschine ist kapu

Zwei Jahre

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Vor zwei Jahren war ich zum ersten Mal hier. Seitdem bin ich verliebt in Tartu. Wenn mich Leute fragen, wie es mich hierher verschlagen hat, habe ich keine tolle Geschichte zu bieten – es war eine Bauchentscheidung. Eine der besten, die ich je getroffen habe. Ich kam hier an, schlenderte unter den bunten Bäumen des Septembers ins Stadtzentrum mit den historischen Gebäuden. Da fing es an. Drei Monate später war es um mich geschehen, am liebsten wollte ich gar nicht mehr weg. Also kam ich immer wieder. Vor genau zwei Jahren paukte ich gerade für Pharmakologie, Mikrobiologie und Pferdepropädeutik. Jetzt gehe ich nochmal durch meine Unterlagen über Rinder und mache fleißig Estnisch-Hausaufgaben. Es war nicht besonders aufregend, hier anzukommen, bei Madis einzuziehen und loszuziehen an die Orte, die ich inzwischen so gut kenne – es hat sich angefühlt, als sei ich einfach wieder nach Hause gekommen. Drei Stunden nach meiner Ankunft beginnt es zu schneien und der Schnee bleibt. Ich sta

Tage in Burma

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In einem Kolonialhaus wie diesem hat wohl George Orwell gelebt  Jeder Myanmar-Reisende hat es im Rucksack, ich natürlich auch: George Orwells „Burmese Days“, sein…. des Imperialismus. Orwell diente 1922 bis 1927 in Burma und war unter anderem in Pyin U Lwin stationiert. Was er während seiner Zeit in Britisch-Indien erlebt hat und seine Anschichten zum Kolonialismus hat er in „Tage in Burma“, wie es auf Deutsch heißt, verarbeitet. Das Buch zeigt das Alltagsleben der Briten in Burma und ihren Umgang mit den Einheimischen, die sie ausbeuten und als niedere Lebewesen betrachten – bis auf Mr. Flory jedenfalls, der durch seine Freundschaft zu einem indischen Arzt und der Faszination für die burmesische Kultur ein ziemlicher Außenseiter unter den wenigen Europäern in der kleinen Stadt Kyauktada am Irrawaddy ist. Auf der Karte, die ich vom Hostel bekomme, ist auch das Haus eingezeichnet, in dem Orwell lebte, während er in Pyin U Lwin war. Leider sind nicht alle Straßen auf der Karte