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Life in Estonia, Teil 15: Viljandi Folk

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 Mit manchen Dingen kann man gut angeben, weil man stolz auf das sein darf, was man erreicht hat. Mit anderen Dingen lässt sich nicht so leicht angeben, weil die Leute entweder nichts Besonderes daran finden, oder überhaupt keine Ahnung haben, wovon man spricht… Ich genieße die Morgensonne zwischen dem See und der Burgruine von Viljandi Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Viljandi Folk Music Festival . Es war nicht mein erster Besuch Viljandis, aber die Stadt ist während des Festivals ein komplett anderer Ort als im Rest des Jahres. Man kann sagen, das Festival hat mehr Besucher (über 20.000) als die Stadt Einwohner (ungefähr 17.000). Ich erinnere mich an die friedliche, familiäre Atmosphäre dort, wie ich zum ersten Mal per Anhalter fuhr, und an die vielen berühmten Esten. Ich erinnere mich an den Auftritt von Silver Sepp. Diesen Musiker kannte ich aus den Büchern von Justin Petrone . Zwei befreundete Berühmtheiten. Die Musik von Silver Sepp ist nicht gerade Pop, und ...

Das Zweite Jahr, Teil 2: Forschung

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  Die Arbeit geht weiter. Statistik. Wissenschaftliche Manuskripte. Ein Artikel ist erst dann fertig, wenn man sich bei seinem Anblick übergeben möchte, sagt mein zweiter Betreuer immer. Es wird noch ein paar Monate und eine Menge Feedback und Diskussionen geben, bis ich an diesem Punkt angelange. Endlich ist es wieder Zeit für meine Schafe. Dieses Jahr weiß ich schon besser, wie der Hase läuft. Meine Freundin Seidi, die Tierarzthelferin, hat sich drei Wochen Zeit genommen, um mir zu helfen. Lilli und Ants, die Besitzer der Farm, helfen mir, wo sie können. Im Gegenzug helfe ich den Kindern bei der Schularbeit, koche Abendessen, heize die Sauna ein, füttere Schafe, und übernehme zweimal in der Woche die Nachtschicht. Wenn ein Schaf in Geburt ist, beobachten wir, ob auch alles gut geht, das ein- oder andere Mal müssen wir Geburtshilfe leisten, und Ants und Lilli bringen uns das geduldig bei. Wenn die frischgebackene Mutter die Lämmer trocken geleckt hat, bringen wir sie in eine Box, ...

Das Zweite Jahr, Teil 1: Konferenz

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  Während der Frühling sich noch nicht entschließen kann, nach Estland vorzudringen, packen wir unsere Taschen. Drei Tage Fortbildung am See Pühajärv für Doktoranden der Immunologie und Virologie. Fast alle sind aus Tartu, ein paar sind aus Schweden angereist. Als wir vor dem Theater Vanemuine in den Bus steigen, der alle gesammelt Richtung Otepää bringen soll, gucken wir uns um. Eine Stunde werden wir gemeinsam in diesem Bus sitzen. Drei Tage im selben Raum verbringen, gemeinsam essen, uns Hotelzimmer teilen. Wir nehmen die Schutzmasken ab – wenn hier einer Covid-19 hat, bekommen wir es sowieso alle. Was uns alle durch das PhD-Studium begleitet sind die „PhD-Comics“ von Jorge Cham ( https://phdcomics.com/ ), die unser Doktorandenleben so schön auf den Punkt bringen. Einer dieser Comics zeigt, wie man sich je nach Karriereposition auf einer solchen Fortbildung verhält: Doktoranden im ersten Jahr machen sich Notizen und denken, dass sie die nochmal angucken würden. Doktoranden i...

A Year in Estonia: Autumn. Sügis. Herbst.

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 Scroll weiter für die deutsche Version ;-) Keri alla, et lugeda eesti keeles! ENG The city is full of people again. Nobody remembers the last time the city was this crowded. I had thought that it would be terrible when the people come back, but like every proper Tartu citizen, I love it. Tartu is once more how it is supposed to be. What was going on? Summer is over. Now that more than 70% of Estonians are vaccinated against Covid-19 (in our institute even more than 90%), the universities are opening their doors again. I have been working in the summer, too, constantly learning, and I had a presentation about my research at an international conference for the first time. I am also prepared for winter: I have dried herbs for teas, stacked firewood in the shed, picked berries, made jam, and froze bag after bag of blueberries, and marinated mushrooms. Fall is coming. The first of September is the first day of school for everybody. The school kids are wearing their finest clothes...

Ein Jahr in Estland: Sommer

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 Roadtrip mit Hugo Das erste, was ich je über diese Region gehört habe, war: „Das einzig Positive an Ida-Virumaa ist HIV“. Ida-Virumaa liegt am nordöstlichsten in Estland und die größte Stadt der Region, Narva, ist offiziell der östlichste Punkt der EU. Eine hoch eingezäunte und gut bewachte Brücke führt über den Fluss Narva nach Russland. Narva ist nach Tallinn und Tartu die drittgrößte Stadt des Landes, und als ich zum ersten Mal in dieses Eck Estlands kam, war das auch der einzige Ort, den ich besuchte – was gab es denn sonst zu sehen in Ida-Virumaa? Wie sich herausstellte: Eine ganze Menge. Ida-Virumaa ist mit dem Ölschieferabbau die Energiequelle des Landes – 76% des Stroms stammt daraus, und 4% des BIP (zumindest sagt Wikipedia das). Der Schieferabbau erlebte seine Hochzeit während der Sowjetischen Besetzung in den 1980ern. Die seltsamen Hügel der Minen prägen die Landschaft, wenn man sich zwischen Rakvere und Narva bewegt. Die Natur ist an vielen Stellen dieser Ruinen ...

Der erste Sommer oder: Meine Estnische Kindheit

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Als ich im Herbst sagte, das sei die beste Zeit des Jahres in Estland, dachte ich doch: wahrscheinlich werde ich das über jede Jahreszeit sagen. Aber beim Sommer bin ich mir nicht sicher. Es ist mein erster ganzer Sommer hier, und ich kann mich noch nicht entscheiden, ob er mir gefällt. Aber eines ist sicher: Um die Esten zu verstehen, muss man den Sommer kennen. Nur dann macht alles, was sie im Winter tun, Sinn. Aber ich muss ein bisschen zurückgreifen, denn die Geschichte beginnt Ende April, als ich mir einen kleinen Geländewagen zulege. Aus umwelttechnischer Sicht habe ich natürlich ein ziemlich schlechtes Gewissen, aber wenn man in Estland auf dem Land lebt, kommt man um ein Auto nicht herum (dazu wohl ein andermal mehr). Es ist ein typisches erstes Auto und genau das, was ich brauche: Allradantrieb, nicht zu groß für Parkplätze in der Stadt, aber groß genug, um all mein Laborequipment und vier Menschen zu transportieren, bereits mit einigen Kratzern und Macken, ein bisschen klap...

10 Dinge, Die Ich An Dir Hasse

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  Seit Langem gibt es meine Liste mit zehn Dingen, die Estland besser macht als Deutschland, etwa die Pünktlichkeit von Zügen oder Glühwein ( siehe hier ), und seitdem sind mir noch viel mehr Dinge aufgefallen, die mich immer wieder glücklich darüber machen, dass ich hier lebe und nirgendwo sonst – etwa der Grad der Digitalisierung. Auch beim Impfen gegen Covid-19 geht es hier völlig nach Plan und ca. 44% der Bevölkerung haben bereits beide Dosen bekommen. ( Quelle ). Ich bin auch immer noch völlig begeistert davon, wie unkompliziert das Gesundheitssystem hier ist. Meine Informationen sind alle auf dem Perso gespeichert: Vorerkrankungen, digitale Krankenakte, Rezepte für Medikamente. Online kann ich alles einsehen und Arzttermine vereinbaren. Der Login ist dabei derselbe wie für alle bürokratischen Angelegenheiten – Online-Banking, Auto registrieren (ja, auch das geht von Zuhause aus und dauert etwa 5 Minuten), Reisepass beantragen, und so weiter. Onlinebanking ist hier nicht nur s...