Järvselja: Wald und Sauna

“Järvselja ist sehr schön!”, schwärmt Riho, nachdem wir unsere üblichen Themen wie Beziehungen, Glück, Zukunftspläne und den Sinn des Lebens abgearbeitet haben. Es ist ungefähr Mitternacht, draußen herrscht Dämmerlicht, eine der berühmten weißen Nächte eines estnischen Sommers.


Nach dem Wiedersehen mit den internationalen Studenten an der EMÜ, ein paar neuen Erasmus-Bekanntschaften und natürlich Karoli, der herzallerliebsten Erasmus-Koordinatorin, sind wir durch die Stadt gehetzt: Ibrahim aus dem Irak, Antoni aus Tschechien, drei neue Gesichter und ich, Fragen zur Geschichte Tartus beantworten, bekannte Orte aufsuchen und dort Gruppenfotos machen. Eine Person mit Fahrrad fragen, welches estnische Buch sie empfiehlt (Andrus Kivirähk: „Der Mann, der mit Schlangen sprach“, kann ich nur weiterempfehlen!), eine Person mit einem roten Kleidungsstück bitten, uns einen Satz auf estnisch beizubringen (Täna on ilus päev – Heute ist ein schöner Tag – Recht hat sie) und eine Person mit Brille soll uns verraten, welches estnische Gericht wir uns nicht entgehen lassen dürfen (Kohuke – ein Quark-Schokoladen-Dessert).
Dann schleiche ich mich von den anderen weg und treffe mich mit Riho im Möku – wo auch sonst.


Was Järvselja betrifft, hat er nicht übertrieben: Es ist ein wunderschöner Wald. Zum Teil noch Urwald, hauptsächlich aber ein experimenteller Wald, denn eigentlich ist das hier ein Forschungszentrum der Fakultät für Forstwirtschaft der Eesti Maaülikool. Wir wandern ein bisschen, lassen uns erklären, wie die Birken immer die Kiefern vertreiben, welche Schäden Elche anrichten und wie Doktoranden versuchen, diese Probleme zu bekämpfen. Anschließend wird nochmal unser Wissen über Estland getestet. Mein Team „The Captain Bluebears“ wird um einen Portugiesen erweitert und mein Interesse an diesem kleinen, schönen Land zahlt sich aus. Estland hat zum Beispiel die höchste Dichte an Meteoritenkratern weltweit, die beiden Nachbarländer sind Lettland und Russland und Tallinn ist natürlich die größte Stadt. Auf die Frage, nach wem oder was der Lennart Meri Flughafen Tallinn benannt ist, rufe ich schon: „Beliebtester Präsident Estlands!“, bevor die Antwortmöglichkeiten überhaupt vorgelesen werden. Politiker. Ok, ja, er war Politiker. Die Herkunftsländer aller Anwesenden haben wir auch in Nullkommanichts übersetzt. Wir sind im Finale und treten gegen „Mambo Number 5“ an. So viele estnische Wörter mit k aufschreiben, wie uns in fünf Minuten einfallen. Ich komme gar nicht zum Nachdenken, so schnell schreibe ich: kell, kass, kõrvits, kartul, kurb, küll, kott, kikerherned, kindlasti, kaine, kohv, kohvik, küsimus…
Unser Team gewinnt und ich habe den Spitznamen „Monica“ weg – wie die Monica in der Serie „Friends“, die mit ihrem Ehrgeiz und ihrem Putzfimmel alle anderen in den Wahnsinn treibt.
Darauf müssen wir dann mit dem gewonnen Vana Tallinn anstoßen und im Garten ein Spiel spielen, das wörtlich übersetzt „Holzstöcke werfen“ heißt. Man wirft dabei mit einem Holzstock auf andere Holzstöcke und sammelt dabei Punkte. Kreativer Name!


Sauna darf an einem gelungenen Tag natürlich nicht fehlen, und so komme ich noch in den Genuss einer Rauchsauna bei einem kleinen Teich. Mit einem Ohrwurm von Ewert and the Two Dragons. Wie ich das Leben in Estland liebe!

Mees, kes teadis üssisõnu: Der Mann, der mit Schlangen sprach
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Das Buch bringt viele Sagen, Legenden und Traditionen Estlands auf spielerische Weise nahe

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