Ein Tag im Elefantendorf



Zum Glück hat der Gecko schon angefangen zu schreien, bevor ich im Bett lag, sonst hätte ich mich wahrscheinlich wahnsinnig erschreckt. Aber so kann ich mich daran erinnern, was ich über Geckos gelesen habe: Die kleinen Viecher, die meistens an der Decke oder an der Wand kleben, sind unglaublich laut. Und sie sind praktisch, weil sie die Insekten fressen, die mich sonst stören würden.

Ich wohne in einem kleinen Bungalow auf Stelzen, durch Boden und Wände fallen Lichtstrahlen durch die Ritzen zwischen den einzelnen Brettern, der Strom geht nicht immer. Also so, wie man sich das in der südostasiatischen Provinz eben vorstellt. Das fällt unter einen sogenannten „Homestay“, mehrere solcher Bungalows stehen im Garten einer Familie, die kein Wort Englisch spricht, ich bekomme hier sauberes Trinkwasser, aber zum Frühstück, Mittag- und Abendessen schließe ich mich Nissa, John, Kan und den beiden mexikanischen Zootierärzten an, denn das gibt es hier nicht. Das Beste daran ist, dass Nissa den Köchen auch gleich erklären kann, dass ich keine tierischen Lebensmittel in meinem Essen haben möchte. Denn außer den Tierärzten spricht hier niemand Englisch und „vegan“ zu erklären, ist nicht ganz einfach. Es gibt das Konzept „jay“, das seinen Ursprung in der Jain-Religion hat, das man hier versteht, aber das schließt nicht nur tierische Produkte aus, sondern auch alles, was unter der Erde wächst – und ohne Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer will ich dann doch nicht leben müssen.
Ban Tha Klang hat den offiziellen Titel „Elephant Village“ (siehe Das Surin-Projekt) und auf dem Weg zu dem Restaurant, in dem wir unser vorbestelltes Frühstück bekommen, kommen wir an einer Menge Elefanten unter ihren kleinen Dächern vorbei. Sie sind mit einem Fuß an einen Pfosten angekettet und weben oder zeigen andere Verhaltensstereotypien.
Um neun erreichen wir das Gelände der Elephant Clinic, wo die Golden Triangle Foundation zwei „Trainingswände“ gesponsert hat. Bis die ersten Elefanten eintreffen, schneiden wir Bananen und Zuckerrohr klein.
Von oben hat man eben einen guten Überblick
Den Großteil des Tages verbringe ich gemütlich auf dem großen Stapel Strohballen und gucke beim Target-Training zu, nachmittags fahren wir raus und besuchen Patienten, deren Wunden täglich behandelt werden müssen. Die Verletzungen entstehen oft durch Kratzen am Auge, wenn zum Beispiel Sand hineingeraten ist, oder es sind Liegeschwielen, da die Elefanten ja nur diesen einen Schlafplatz haben, auf dem Sandhügel, auf dem sie auch tagsüber die meiste Zeit verbringen. Manche können ein paar Meter weiter laufen, bei anderen ist die Kette so kurz, dass sie nur für ein paar Schritte reicht. Weitere Verletzungen entstehen durch den Haken, mit dem die meisten Mahouts ihre Tiere lenken. Wenn der Elefant aber aggressiv wird, dann schlagen sie damit auch mal zu, und das führt zu tiefen Wunden, die sich gerne entzünden. Der richtige Umgang mit dem Elefantenhaken muss gelernt sein, aber noch besser wäre natürlich ein komplett gewaltfreier Umgang. Das Target-Training soll auf lange Sicht zeigen, dass es eben auch anders geht. Traditionell werden die Elefanten in der Ausbildung streng angekettet und oft geschlagen, sie lernen durch Bestrafung und tun, was der Mahout sagt, weil sie Angst vor ihm haben.


In der Zukunft, die wir uns ausmalen, werden Elefanten mit positiver Verstärkung trainiert, belohnt, und Mahout und Elefant haben ein Verhältnis, das auf Vertrauen baut und nicht auf Angst.
Und in einer noch ferneren und schöneren Zukunft gibt es dann keine Arbeitselefanten mehr, aber immer noch wilde Elefanten…
Heute kommen die Schulkinder uns besuchen. Drei Schulen sind es, die zwischen acht und dreißig Kinder schicken. Eine Gruppe kommt im Minivan, eine in einem klassischen Schulbus, die dritte auf der Ladefläche eines Pick-ups.
John hofft, dass diese Generation so viel über Elefanten lernt, dass die Kinder keine Mahouts mehr werden wollen, damit die Zucht von Elefanten in Gefangenschaft irgendwann ein Ende nimmt, und dass sie für den Erhalt der wilden Elefanten kämpfen. Der Elefant ist immerhin das Symbol Thailands.
Die Schüler stellen sich ordentlich in Reihen auf, während Dr. Pang erklärt
Der Beruf das Mahouts wird in der Regel innerhalb der Familie weitergegeben, aber anders als in Nepal kann man in Thailand auch Mahout werden, wenn Vater und Großvater es nicht waren – und wenn die Vorfahren diesen Job hatten, ist man auch nicht gezwungen, ihn zu übernehmen.
Am Nachmittag muss ich Abschied nehmen. Da die Mexikaner in Buriram unbedingt Fußballtrikots kaufen wollen, werde ich mit dem Tierarztauto direkt dorthin zur Busstation gefahren. Buriram United ist immerhin thailändischer Fußballmeister.
Im Bus nach Bangkok, für den mir Nissa ein Handyticket gebucht hat, gibt es ein vorbestelltes veganes Essen für mich, großzügige Fußstützen, weit verstellbare Lehnen, Steckdosen und Bildschirme an jedem Platz und eine Stewardess, die wie im Flugzeug erstmal die Sicherheitshinweise mit uns durchgeht. Sechs Stunden später checke ich in ein Hostel in der Nähe des Busbahnhofs ein, es ist außer dem französischen Angestellten niemand zu sehen um diese Zeit und als ich für weitere Stunden später um sechs Uhr morgens zum Frühstück komme, ist auch noch niemand wach.


Meine Reise geht weiter, und ich weiß nur so ungefähr, wie ich ans Ziel kommen werde. Eine Direktverbindung von Buriram oder Surin gab es leider nicht, obwohl das kürzer gewesen wäre. Aber schon an der Busstation, an die ich mich jetzt bringen lasse, merke ich, dass es ab jetzt leichter wird – hier sind andere Touristen, französische Hippies – ich habe bisher mehr Franzosen als Deutsche getroffen, doch das soll sich schnell ändern.

Thailand, wie es im Reiseführer steht

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