Zu Songkran in Chiang Mai


Chiang Mai gefällt mir. Das mag am Ausnahmezustand liegen, der hier herrscht, ich weiß es nicht. Die Taxis haben einheitliche Preise, aber eigentlich ist die Stadt klein genug um sie zu Fuß oder per Fahrrad zu erkunden.


Vom 13. Bis 15. April ist Songkran, das thailändische Neujahrsfest, bei dem traditionell die Buddhastatuen gewaschen werden – inzwischen hat es sich zu einer öffentlichen Wasserschlacht entwickelt. In Chiang Mai wird es am größten gefeiert, deshalb wollte ich dieses Wochenende so gerne hier verbringen.



Doch man hat mich vor der Stadt gewarnt: Seit Wochen ist sie immer wieder auf Platz eins der Städte mit der schlechtesten Luft weltweit. Auf dem Weg zu meiner Unterkunft checke ich die Luftqualität. In und um Chiang Mai ist alles rot markiert mit Werten um 150-200 für PM 2,5, dem Feinstaub, der bis in die Alveolen gelangt und daher den größten Schaden anrichten kann. „Unhealthy“ steht da, man soll es vermeiden, sich draußen zu bewegen. Manche Stellen sind auch lila. Das kenne ich noch nicht. In Bangkok hatten wir orange und gelb, ab gelb trug niemand mehr Atemmasken, obwohl die „moderaten“, also gelben, Werte immer noch deutlich über deutschen Feinstaub-Grenzwerten liegen. Ich scrolle nach unten. Lila bedeutet: PM 2,5 zwischen 200 und 300. „Very unhealthy. Health warnings of emergency conditions“. Ich rücke meine Atemschutzmaske zurecht.
Willkommen im Norden. Chiang Mai ist von Bergen umgeben und all der Smog und Staub von landwirtschaftlichen Feuern (es werden hier immer noch Felder in Brand gesetzt) sammelt sich hier an. Ich kann die Berge nicht sehen.
Die Sicht ist stark begrenzt.

Aber wenn man so in der Innenstadt vor sich hin feiert, merkt man es kaum. Man kann Abgase riechen, aber nicht Feinstaub. Ich kann nachvollziehen, warum ganz viele Leute keine Maske tragen.
Mein Hostel ist die Kaysorn Residence, ein kleines, familiengeführtes Guesthouse in einer ruhigen Gegend. Da momentan nicht viel los ist, habe ich ein Vierbettzimmer für mich alleine. Es ist liebevoll eingerichtet und auf den Betten stehen kunstvoll gefaltete Handtücher. Ich kann meine Flasche mit Trinkwasser auffüllen und auch sonst gibt man sich hier sehr Mühe, umweltfreundlich zu sein. Als ich abends von meiner Stadterkundung zurückkomme, sitzt die vierköpfige Familie beim Abendessen und winkt mir zu. An der Außenwand prangt ein riesiges Gemälde, auf dem die beiden Töchter, etwa siebenjährige Zwillinge, vor einem großen Feld schaukeln.



Heute rennen sie auf dem Innenhof herum, wo ein Planschbecken steht, und spritzen die Nachbarn mit Wasserpistolen nass. „Ist ja gar nicht so schlimm“, denke ich, packe alles, was ich mitnehme, aber trotzdem in Plastiktüten, die ich nach deren Einkauf auf dem Markt von den Tierärzten abgegriffen hatte.
Zehn Minuten später, auf meinem Weg in die Innenstadt, bin ich bereits an zwei veganen Restaurants vorbeigekommen, habe eine Mangosteen (eine exotische Frucht) geschenkt bekommen und bin klatschnass. Familien und Roller sind eine Sache: die haben Wasserpistolen. Straßenlokale warten direkt mit Gartenschläuchen auf. Aber gefährlich sind die Pick-ups: Die haben Eimer. Und damit gießen sie dir das Wasser in den Nacken.



Zum ersten Mal gehe ich in Thailand spazieren, ohne zu schwitzen.
Ich komme an der Nimman-Straße an, wo sich nette Lokale, Souvenirshops, Friseure, Massagesalons und Hostels aneinander reihen. Doch die Gebäude sind schön, niemand drängt einem irgendetwas auf – außer Wasser, natürlich. Ab hier werde ich nicht mehr trocken. Die Stimmung ist ausgelassen, vom Straßenrand spritzt man mit Schläuchen in den Stau, wo hin und wieder jemand mit Regenschirm in einem der Pick-up-Busse sitzt, und von den Autos kommt es eimerweise zurück.
Man kann gefahrlos auf der Straße herumlaufen, alle lachen und lächeln einander an, alle sind klatschnass. Dieser Tag steht ganz unter dem Motto „take only memories“, denn die Kamera oder das Handy rauszuholen ist definitiv keine gute Idee. Darauf nimmt niemand Rücksicht. „Saswadee Pee Mai!“ ruft jemand, und Platsch, ich habe wieder eine Eimerladung Wasser im Gesicht.
An der Kad Suan Kaew Mall treffe ich mich mit Ant, die gerade ihren Abschluss an der MUT gemacht hat und jetzt wieder bei ihrer Familie ist. Zu Songkran fährt eigentlich jeder nach Hause, weshalb viele Läden und Restaurants geschlossen haben.
Hier ist eine Bühne aufgebaut, auf der eine Band spielt und man aus dicken Schläuchen nassgespritzt wird. Wir lassen uns in der Wasserschlacht treiben. Man tanzt auf der Straße, schlängelt sich durch den feststeckenden Verkehr, und aus dem Fluss gibt es einen nie endenden Wassernachschub.
Wir treffen auf den großen Umzug, bei dem jede Fakultät der Chiang Mai Universität eine Gruppe in traditioneller Kleidung losschickt, Bands spielen und die Tempel auf geschmückten Pick-ups ihre Buddhabildnisse durch die Stadt fahren. Die Buddhas spritzt man nass, und auf der Ladefläche sammelt sich das Wasser, von den vielen Marigolds goldgelb gefärbt. Die Mönche verteilen das Wasser zurück an die Menschenmassen. Es ist jetzt gesegnet und eine Frau neben mir gießt mir eine Handvoll davon über den Kopf, bevor die mir einen Becher reicht, mit dem ich den nächsten Buddha anspritze. Mein Rücken wird derweil vom Strahl einer Wasserpistole getroffen.
Am wunderschönen Wat Lok Moli greifen wir ein bisschen kostenloses Essen ab, bevor wir weiter an der Stadtmauer entlang laufen und schließlich auf einer Party mitten auf der Straße nahe des Tha Phae Stadttors hängen bleiben.





Die Altstadt Chiang Mais ist quadratisch und von einer an den meisten Stellen noch erhaltenen Stadtmauer und einem Fluss umgeben. Außen entlang steht das Wasser knöcheltief auf den Straßen und alles und jeder trieft und tropft. Innen, wo sich wunderschöne Tempel quasi aneinanderreihen, kann man relativ gefahrlos herumlaufen, nur aus den Hostels, Pick-ups und manchen Lokalen wird man nassgespritzt. Zum Beispiel von einem Kind, das direkt in einer Regentonne steht.


Auch an meinem zweiten Tag hier lasse ich mich einfach treiben, esse in dem wunderbaren veganen Restaurant „Goodsouls“, gebe es auf, mein T-Shirt auszuwringen und stoße abends auf einen Markt, auf dem die Leute der Region ihr Handwerk verkaufen, und eine Tempelmusik-Show. An jeder Ecke gibt es etwas zu sehen – weil ich in Chiang Mai bin. Und weil Songkran ist.




Nach der Wasserschlacht hole ich meine Kamera raus...


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