Der Roadtrip beginnt

Eesti Maalülikool: Das Abenteuer beginnt
„Ich stelle mir einen Wecker auf neun“, sagt meine neue Mitbewohnerin, „stört dich das?“
Neun? Hä? Hat sie keine Kurse? Wer zeigt mir dann, wo ich hin muss?
Wie sich herausstellt, fängt die Uni hier in Tartu doch erst am Montag an, der 1. September ist nur der offizielle Termin. So habe ich also noch Zeit, mich einzurichten und vorher zu gucken, wie ich zu meinen Vorlesungen komme.
Mein Zimmer teile ich mir mit einer Französin, Veti im ersten Jahr, Küche und Bad gehören auch noch einer Finnin, Veti im zweiten Jahr. Sie hat mir erzählt, dass die besten Anatomiebücher aus Deutschland kommen und sie mit dem König Liebich lernt. Aber der sei ganz schön ausführlich und schwer zu verstehen! (Wer sich darüber auch kaputt lacht, bitte mit Haha-Smiley „Liken“)
Vom Fenster aus gucke ich auf’s Hauptgebäude. Der Campus ist weitläufig und sehr grün, sodass ich gestern erstmal eine Weile spazieren gegangen bin. Dann dachte ich, ich gucke mal nach einem Supermarkt, laufe und laufe… und komme an der University of Tartu an (also der Entsprechung zur Leibnitzuni, wenn die EMÜ die TiHo ist), schlendere durch die Altstadt. Bevor ich einen Supermarkt finde, entdecke ich einen BioMarket, in den ich natürlich erstmal reingucken muss. Und was sehe ich? Lauter mir bekannte Marken! Für eine langsame Umgewöhnung kann ich mir hier also die exakt gleichen Nudeln und mein Lieblingsmüsli kaufen ;-) Leider ist das deutsche importierte Zeug natürlich ziemlich teuer. Anders als alles Andere hier.
Die Ticketverkäuferin sagt mir, ich solle auf meinen estnischen Studentenausweis warten, bevor ich eine Monatskarte für den Bus kaufe, sonst kostet eine Fahrt 1,50€. Und das unabhängig von der Strecke. Ok, denke ich, aber um eine Stunde Fußmarsch zu ersetzen, werde ich mir das jetzt auch so mal leisten. Kinder scheinen übrigens generell umsonst zu fahren.
Meine SIM-Karte hat einen Euro gekostet, für einen Monat Internet, SMS und Telefonieren zahle ich jetzt die 8€, die mir die Verkäuferin nicht mal empfohlen hat, es gibt ja schließlich auch eine 5-Euro-Version. Und überall free Wifi! Naja, nicht im Wohnheim, deshalb nehme ich auch das in Kauf…
Das Wohnheim ist übrigens hier der Tower, denn genau das heißt „Torn“ übersetzt.
Das wars aber schon an Infos für heute, ich muss nämlich nochmal ins Office und meinen Stundenplan ändern, wenn ich nicht jeden Tag von acht bis sechzehn Uhr parallel zu allen anderen Veranstaltungen Radiologie haben will…




Genau ein Jahr ist es jetzt also her, dass ich Estland zum ersten Mal betreten habe. Und jetzt bin ich schon wieder da. Den Flughafen von Tallinn kenne ich ja fast auswendig inzwischen und Tartu ist mein Zuhause geworden. Zeit, mal in eine Richtung zu fahren: mit dem Mietwagen nach Westen zu den Inseln. Morgens um halb sechs mit der Bahn zum Flughafen, mit dem Nordica-Flieger nach Tallinn, mit dem Auto nach Rohuküla, mit der Fähre nach Hiiumaa. Der erste Zwischenstopp ist Paldiski, weil ich auf der Google-Karte einfach einen Ort am Meer angeklickt habe. Diese Kleinstadt ist Militärstützpunkt, Gasproduzent und hat einen Bahnhof. Und gegenüber dieses kleinen Bahnhofs, an der Wand eines Sowjet-Blockhauses steht in unverkennbarer schwarzer Sprühfarbe: Moses Taps. Sehenswürdigkeit Nummer eins dieses Tages. Es hat sich doch gelohnt, hierher zu fahren. Weiter geht’s, ein Stück am Meer entlang, diese wunderschöne Aussicht noch verziert durch die schottischen Hochlandrinder, die sich hierher verirrt haben. Das erste gesetzte Ziel ist Haapsalu, ein Kurort an der westlichen Küste. Ilon Wikland, Illustratorin der Astrid-Lindgren-Bücher ist hier geboren. Die Gassen des Städtchens erinnern ein bisschen an Italien: unebene Gehsteige, Katzen, warme Sonne und salziger Wind. Die bunten Häuser und die riesige Ruine der Bischofsburg aus dem 13. Jahrhundert sorgen aber dafür, dass Haapsalu typisch estnisch bleibt. Von einem der süßen kleinen Restaurants mit der restaurierten Fassade aus buchen wir das Fährticket und fahren weiter nach Rohuküla. Das ist gar kein richtiges Dorf, sondern einfach nur ein Hafen. Und dem Sonnenuntergang entgegen, schön kitschig eben, bringt die Fähre uns nach Heltermaa, Hiiumaa. Zweites Ziel: Vetsi Tall, weil ich schon immer mal in einem Fass übernachten wollte.
















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